Asiatischer Laubholzbockkäfer zieht weite Kreise
Droht Kahlschlag im Englischen Garten?
Angenommen, beim Biergarten am Chinesischen Turm wird eine vom Asiatischen Laubholzbockkäfer (ALB) befallene Kastanie gefunden. Die Folgen wären gravierend: Da die waldartige Parkanlage gemäß Bayerischem Waldgesetz als „Wald“ gilt, greift folgende Maßnahmenkette: Ausweisung einer Quarantänezone, Fällung der vom Käfer befallenen Bäume und Fällung aller befallsgefährdeten Bäume im Umkreis von 100 Meter innerhalb weniger Tage. Grundlage hierfür wäre eine Fällliste des Julius-Kühn-Institutes. Der Chinesische Turm stünde inmitten einer 200 Meter breiten Kahlfläche. Kaum ein Laubbaum würde von den Fällungen verschont. Kümmerliche 20 Bäume blieben laut Kartierung des BUND Naturschutz (BN) stehen. Und sobald außerhalb dieser Zone ein weiterer befallener Baum gefunden wird, gingen die Fällungen weiter.
„Diese Überlegungen sind kein Planspiel, sie können jederzeit Realität werden. Genau dieses Schreckens-Szenario ist 2012 in Teilen Feldkirchens und aktuell in Neubiberg eingetreten: Niemand kann ausschließen, dass der Käfer sich auch im Stadtbereich München ansiedelt oder schon angesiedelt hat. Laufend werden neue Käferlarven in befallenen Paletten eingeschleppt, wie Untersuchungen aus Österreich gezeigt haben“ sagt Christian Hierneis BN Vorsitzender in München.
„Die großflächigen Fällungen treffen uns ins Herz. Trotzdem tragen wir die Vorgehensweise der Behörden bisher mit“, so Martin Hänsel, stellvertretender Geschäftsführer des BN in München. „Andere Länder hatten mit dieser Ausrottungsstrategie Erfolg, so beispielsweise Österreich. Doch es muss dringend geklärt werden, ob der Käfer nicht schon längst bei uns etabliert ist. Außerdem muss die permanente Neueinschleppung sofort unterbunden werden. Ohne eine Lösung dieser beiden Probleme stellt sich die Frage, ob die bisherige Ausrottungsstrategie überhaupt sinnvoll ist.“
Auf sich alleine gestellt können die Kommunen dem ALB nicht Herr werden, es bedarf regions- und landesübergreifender Maßnahmen. Nur mit Unterstützung der Staats- und Bundesregierung können Neueinschleppungen des ALB unterbunden werden. Der BN fordert deshalb:
- Die Einfuhr von befallenem Verpackungsmaterial ist schnellstmöglich durch geeignete Maßnahmen zu unterbinden. Die bisherige Praxis ist unzureichend.
- Die zuständigen Behörden müssen sofort Klarheit über die Verbreitung des Käfers schaffen. Hierzu ist die Einrichtung einer entsprechenden „Einsatzgruppe ALB“ sowie eine angemessene finanzielle Ausstattung erforderlich. Hierzu bedarf es klarer politischer Vorgaben.
Gelingt es nicht, diese beiden wesentlichen Fragen zeitnah zu beantworten, sollten aus Sicht des BN die derzeitigen Baumfällungen beendet und nur noch tatsächlich befallene Bäume gefällt werden.
Der Asiatische Laubholzbockkäfer stammt aus dem ostasiatischen Raum. Der ca. 4 cm große, schwarze Käfer mit schwarz-weiß geringelten Fühlern und gepunktetem Körper gelangt als blinder Passagier in Holzpaletten, die zum Transport von Natursteinen, wie z.B. Granit aus China dienen, nach Europa. Er befällt eine Vielzahl an Laubbaumarten und kann diese durch seine Fraßgänge schwer schädigen und sogar zum Absterben bringen. Er gilt aktuell als eine der gefährlichsten invasiven Arten und ist deshalb in der EU als Quarantäneschädling eingestuft. Holzpaletten aus verdächtigen Regionen Ostasiens müssen deshalb bereits im Herkunftsland gegen diesen Schädling behandelt werden. Untersuchungen aus Österreich zeigen jedoch, dass nach wie vor rund 8% der Sendungen mit verdächtigen Holzpaletten lebende Stadien des Käfers enthielten. Der neueste Befall aus der Nähe von Augsburg unterstreicht, dass mit weiteren Funden zu rechnen ist.
Bisher richtet sich das Vorgehen gegen den ALB danach, wo der Käfer gefunden wird:
- Einzelbäume, Straßenbäume, Gärten etc.: Zuständig ist die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), gefällt werden derzeit i.d.R. 5 Baumarten (Weiden, Ahorn, Kastanie, Pappel, Birke), in Neubiberg zusätzlich Esche, Hainbuche, Vogelbeere.
- Wald oder waldartiger Park (Art.2 BayWaldG): Zuständig ist das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF), gefällt werden derzeit alle Laubbäume außer Eiche und Walnuss (Liste des Julius-Kühn-Institutes).
Der Einsatz von Giften (Neonicotinoide) verbietet sich aus Sicht des BN. Die Mittel sind hochtoxisch, u.a. giftig für Bienen, können das Grundwasser gefährden und sind in Deutschland nicht zugelassen.
„Wir bezahlen den Import von billigen Steinen möglicherweise mit dem Tod unserer heimischen Laubbäume, ob durch vorsorgliche Fällung oder durch Käferfraß. Letztlich ist also nicht der Käfer schuld an der Misere, sondern wir selbst. Hier liegt auch der Schlüssel zur Lösung“ so Hierneis abschließend.